»Unser tägliches Brot« ist keine Selbstverständlichkeit«, sagt der Ministerpräsident Boris Rhein (CDU). »Für Landwirte ist es harte Arbeit und sie übernehmen großes wirtschaftliches Risiko, um unserer Bevölkerung Versorgungssicherheit mit wertvollen Lebensmitteln zu geben. Durch den Ukraine-Krieg wird uns das derzeit klarer denn je.« In der Öffentlichkeit gebe es ziemliche Zerrbilder über die Landwirtschaft durch die Diskussion um Umweltschutz und das Tierwohl. Veranstaltungen wie der »Tag des offenen Hofes« seien ein willkommenes Ausflugsziel für Familien und interessierte Gäste – zugleich sei das Fest der ideale Ort, um Bevölkerung und Landwirtschaft miteinander ins Gespräch zu bringen.

Gesunkene Nachfrage nach Erdbeeren

Auf diese Weise hat der Regionalbauernverband Wetterau/ Frankfurt auf dem Hof von Dr. Matthias Mehl einen Ort der Begegnung geschaffen. Neben den ausgestellten landwirtschaftlichen Maschinen ist die Gambacher Erdbeerkönigin Lisa II. eine von Kindern viel bestaunte Person gewesen. Antonia (10) und Ronja (8) ergatterten eine der Autogrammkarten der 20-Jährigen. Sie ist Botschafterin der Erdbeeranbauer vom »Wetterauer Früchtchen«‹ vom Gambacher Landwirtschaftsmeister Klaus Reuhl. »Auf 50 Hektar unseres 230 Hektar großen Betriebes bauen wir Erdbeeren an. Auf 30 Hektar wächst Spargel«, sagt Reuhl. Außerdem baut er Himbeeren, Kirschen und Äpfel an. Trotz des zuletzt herrlichen Sonnenscheins und der jedes Jahr im Frühjahr aufs Neue erwachenden Lust der Menschen auf Erdbeeren, ist er in diesem Jahr mit der wirtschaftlichen Lage aber nicht ganz zufrieden.

»Es werden in Hessen mittlerweile deutlich zu viele Erdbeeren angebaut. Das drückt aktuell massiv auf den Preis«, sagt der 71-Jährige. Auch beim königlichen Gemüse, dem in der Wetterau angebauten Spargel, liegt der Verkaufspreis wegen eines deutlich höheren Angebotes aktuell unter dem der Vorjahre.

»Der Spargelabsatz ist derzeit schwierig, obwohl der Preis niedriger ist als zuletzt«, bilanziert der Wetterau-Kreislandwirt Michael Schneller aus Niddatal-Assenheim. »Gemüsebauern spüren eine deutliche Zurückhaltung wegen der allgemeinen Preissteigerung. Einige Spargelfelder mussten sogar aufgegeben werden und werden nicht abgeerntet. Je nach Vermarktung ist die Erlöslage schlecht.«

Seit Jahrzehnten wird der ungehemmte Flächenfraß gerade von den Wetterauer Landwirten angeprangert. Viel Ackerland ging unwiederbringlich verloren und wurde mit Neubaugebieten und Verkehrswegen versiegelt. »Die Stadt Frankfurt und ihr Umland wird sich weiter ausdehnen. Potenzielles Bauland liegt genau dort, wo die Wetterau-Landwirte so ertragreich und erfolgreich auf den fruchtbaren Lössböden Ackerbau betreiben«, sagt der Frankfurter Kreislandwirt Matthias Mehl.

Einem geläufigen Sprichwort nach sind die Böden in der Wetterau so fruchtbar, dass die Finger Wurzeln schlagen, sobald man sie hineinsteckt. »Wir erleben gerade, dass Russland seinen brutalen Angriffskrieg auch zu einem Getreidekrieg ausweitet«, sagt Rhein mit besorgter Miene. Urplötzlich werde der Bevölkerung wieder bewusst, dass die heimische Landwirtschaft ihre Versorgung mit Lebensmitteln sichert.

Erlebnisse auf dem Hof vermitteln

Laut einer Umfrage des Forums Moderne Landwirtschaft hat mehr als ein Drittel der Deutschen noch nie mit einem Landwirt gesprochen. Gleichzeitig gaben 67 Prozent der Befragten an, dass sie an einem Gespräch mit Landwirten interessiert sind.

Der »Tag des offenen Hofes« hat genau diese Gelegenheit geboten mit Wetterau-Landwirten ins Gespräch zu kommen. »Mit echten Landwirtschaftserlebnissen wird Wissen vermittelt und Vertrauen geschaffen«, sagt Kreislandwirt Schneller. »Verbraucherdialog ist auch wegen zunehmender Anforderungen seitens der Politik und Gesellschaft wichtiger denn je, um die vielfältigen Leistungen der Landwirtschaft zu erläutern und Vorurteile abzubauen.«